15
Apr
2008
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Textrezepte 40 – Anspruchsvolle Briefe

Tipp 40: Anspruchsvolle Briefe

Für Korrespondenz ausserhalb der Routine gibt es keine Patentrezepte, weil diese individuell zu erarbeiten sind und häufig Fachwissen erfordern. Unter anspruchsvolle Briefe fallen beispielsweise

– Behördenbriefe: Gesuche, Einsprachen, Beschwerden, Anfechtungen etc.
– Nachbarnbriefe: Rechtfertigungen, Beschwerden etc.
– Briefe zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Eltern und Schule
– und andere

Beim Aufbau von anspruchsvollen Briefen gelten die gleichen Regeln wie bei der Alltagskorrespondenz:

1. Einstieg ins Thema (den Leser vorbereiten, eine klare Ausgangslage schaffen)
2. Darlegung des Sachverhalts
3. Bitte um Stellungnahme oder Zustimmung oder Vorschlag für weiteres Vorgehen

Tipp für die Beantwortung von unberechtigten Reklamationen
Grundsatz für Schreibstil: Klarheit – gepaart mit schlichter Sachlichkeit.
Bei der Reaktion auf eine unberechtigte Reklamation ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Man ist verärgert, weil man sich zu unrecht angegriffen fühlt. In dieser Situation neigt man dazu, den Brief in einem falschen Ton zu verfassen. Sind die Vorwürfe unberechtigt, sollte man den Adressaten sachlich und freundlich über die Sachlage informieren. Freundlichkeit ist notwendig, weil der Beschwerdeschreiber ja davon ausgeht, dass er im Recht ist. Es wäre falsch, ebenfalls angriffig zu reagieren. Diese Tonart mag zwar den eigenen Frust abbauen, aber in ihrer Wirkung ist sie meistens kontraproduktiv und treibt den Streit auf die Spitze. Angriffigkeit bewirkt beim Empfänger Frustration, Empörung und Trotz. Man sollte deshalb nach Möglichkeit nicht persönlich werden, sondern sachlich argumentieren. Auch eine Einladung zu einem Gespräch kann Wunder bewirken – häufig sind Beschwerdeführer schriftlich mutiger als bei einem persönlichen Gespräch. In sehr zerfahrenen Situationen kann es sich lohnen, eine neutrale Person als Vermittlerin beizuziehen.

Beispiel 1: Rechtfertigung in einem Nachbarschaftsstreit

Frau Hulda Hässig beklagte sich in einem zweiseitigen Brief mit ausfallenden Worten über die Lärmbelästigungen der 2- und 4-jährigen Töchter der Familie Süss, die in der Wohnung über ihr wohnt. Das Schreiben ergänzte sie mit weiteren haltlosen Vorwürfen und schickte es an Familie Süss und in Kopie an Frau Mettler von der Verwaltung. Diese bittet die Familie Süss um eine Stellungnahme.

Beschwerde von Frau Hulda Hässig betreffend Lärmbelästigung

Sehr geehrte Frau Mettler

Besten Dank für Ihre Anfrage vom 4. April. Sie beziehen sich auf ein Schreiben von Frau Hässig, die sich über Lärmbelästigungen unserer Töchter beschwert hat. Wir bedauern, dass Sie in diese Auseinandersetzung involviert wurden. Gerne schildern wir Ihnen unsere Sicht der Dinge.

Der Brief von Frau Hässig zeigt, wie sehr sie sich unsere Nachbarin ärgert. Dennoch wehren wir uns entschieden gegen die Anschuldigungen.

(Darlegung der Sachlage)
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Da uns der Hausfrieden am Herzen liegt, sind wir gerne bereit, bei einer „Chropfleerete“ persönlich Stellung zu beziehen und eine Lösung zu finden, die alle zufrieden stellt.

Kopie: Frau Hulda Hässig

Ihre Beanstandung vom 1. April 2008
Sehr geehrter Herr Hammer
In Ihrem Brief beschweren Sie sich über den Schattenwurf unseres Kirschbaumes. Ihr Brief zeigt uns, wie verärgert Sie sind. Obwohl wir dies bedauern, halten wir doch an unserem Standpunkt fest.
(Beschrieb Sachverhalt)
Damit wir die Sachlage und die rechtliche Situation im Detail mit Ihnen besprechen können, laden wir Sie zu einem persönlichen Gespräch ein. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung.

Ihre Beschwerde: Schuhgestell im Treppenhaus
Sehr geehrte Frau Kummer

Unser Schuhgestell im Treppenhaus entspricht nicht Ihren Vorstellungen von Ordnung. Ihr Brief zeigt uns, wie verärgert Sie sind. Obwohl wir dies bedauern, können wir Ihrer Forderung nicht nachkommen.
(Beschrieb Sachverhalt)

Sollten diese Erläuterungen Ihren Unmut noch nicht abgewendet haben, laden wir Sie gerne im Beisein der Verwalterin zu einer Tasse Kaffee ein, um die Details und die rechtliche Lage zu besprechen.