Textrezepte 113 – Ablehnungsschreiben

Gefälligkeitsdienste sind eigentlich eine schöne Sache – solange das Geben und Nehmen auf Gegenseitigkeit beruht. Schwierig wird es bei jenen Zeitgenossen, welche die Hilfsbereitschaft anderer über Gebühr strapazieren. Ein freundliches, aber bestimmtes Nein ist manchmal durchaus angebracht. Und ein schlechtes Gewissen braucht man dabei auch nicht zu haben.

Ein paar Musterformulierungen:

Bitte an IT-Spezialist: „Mein Computer spinnt. Könntest du ihn kurz anschauen?“

Ablehnungstext:

Liebe Trudi

Man sollte denken, dass diese wunderlichen Computer heute einfach das tun, wozu sie gebaut wurden. Als IT-Profi kann ich dir versichern, dass sie uns Tag für Tag ganz schön auf Trab halten. Und genau darum weiss ich, dass sich dein Problem nicht zwischen Kaffee und Kuchen lösen lässt. Deshalb empfehle ich dir, dich an einen routinierten Supporter zu wenden. Falls du willst, höre ich mich etwas um und empfehle dir einen Kollegen, der noch Ressourcen hat und zu fairen Preisen abrechnet.

Ich hoffe, dass ich dir damit weiterhelfen konnte.

 

Bitte an Grafiker: „Könntest du rasch ein neues Logo für unseren Verein gestalten?“

Ablehnungstext:

Lieber Peter

Deine Anfrage hat mich sehr gefreut und natürlich gestalte ich für unseren Verein gerne ein neues Logo – bloss zaubern kann ich nicht. Denn so „rasch ein Logo“ aus dem Ärmel zu schütteln, das für die nächsten paar Jahre das Aushängeschild des Vereins sein wird, wäre unseriös. Lass uns bei einem Kaffee oder Arbeitslunch darüber sprechen – ich weihe dich dann in die Geheimnisse der Analyse-, Kreations- und Umsetzungsphase ein. Wann wollen wir uns treffen?

 

Bitte an Kollegin: „Könntest du bitte meine Bachelorarbeit überfliegen?“

Ablehnungstext:

Liebe Hanna

Du hast deine Bachelorarbeit fertiggestellt – dafür verdienst du meinen grössten Respekt. Nun bittest du mich, dein 90-seitiges Werk „rasch zu überfliegen“. Deine Arbeit hat wohl mehr als das verdient. Zudem müsste ich mich in das Thema einarbeiten, bevor ich mich inhaltlich mit deiner Arbeit befassen kann. Bleibt noch das Prüfen des Stils sowie der Rechtschreibung und Grammatik: All dies lässt sich nicht durch ein schnelles „Überfliegen“ bewerkstelligen.

Ich denke deshalb, dass dir besser gedient ist, wenn sich jemand mit Fachwissen und der erforderlichen Zeit deines Werkes annimmt und ich bin zuversichtlich, dass du dafür eine wirklich hilfreiche Lösung findest.

 

Bitte an Kollegen: „Könntest du bitte rasch diesen Vertrag durchlesen und mir sagen, ob ich den so unterschreiben kann?“

Ablehnungstext:

Lieber Julius

Es ehrt mich, dass du meinen juristischen Rat suchst und wie du weisst, stehe ich gerne damit zu Diensten. Lass es mich so ausdrücken: Durch die Brille des Scheidungsanwalts erkenne ich einen massgeschneiderten Handelsvertrag mit minutiös ausfomulierten und teils weitreichenden Rechten und Pflichten. Zuletzt befasste ich mich mit Handelsrecht während des Studiums und bin somit weder mit den gültigen Gesetzen noch mit der herrschenden Rechtsprechung à jour. Darüber hinaus kann ich als Aussenstehender nur mutmassen, ob des einen Rechts und des anderen Pflicht tatsächlich damit übereinstimmen, was vereinbart wurde.

Es gibt nur einen Ratschlag, den ich dir mit gutem Gewissen geben kann: Wende dich an einen spezialisierten Wirtschaftsanwalt und vereinbare gleich ein persönliches Gespräch. Er wird viele Fragen haben – vertrau mir!